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Lineare Rekursionen mit konstanten Koeffizienten

Die allgemeine Gestalt der skalaren linearen Rekursion von Ordnung $ k$ mit konstanten Koeffizienten ist

$\displaystyle \forall n\in\mathbb{N}: y_{n+k}+a_1y_{n+k-1}+\dots+a_{k-1}y_{n-1}+a_k y_n = 0 ,$ (3)

wobei $ a_1,\dots,a_k$ reelle oder komplexe Konstanten sind, und $ y:\mathbb{R}\to\mathbb{R}$ bzw. $ \mathbb{R}\to\mathbb{C}$ die unbestimmte Funktion ist.

Wir bezeichnen die Menge aller Folgen in $ \mathbb{R}$ mit $ \mathbb{R}^{\mathbb{N}}$ . Die linke Seite von (3) läßt sich schreiben als $ F(y)=0$ , wobei $ F:\mathbb{R}^{\mathbb{N}}\to\mathbb{R}^{\mathbb{N}}$ der Operator

$\displaystyle (f_n)_n \mapsto f^{(k)}+a_1f^{(k-1)}+\dots+a_{k-1}f'+a_k f $

ist. Das charakteristische Polynom von (3) ist $ P(T)=P_F(T)=T^n+a_1T^{n-1}+\dots+a_{n-1}T+a_n$ .

Die Menge der Operatoren $ \mathbb{R}^{\mathbb{N}}\to\mathbb{R}^{\mathbb{N}}$ , die in der Form wie oben dargestellt werden können, bildet mit der punktweisen Addition und der Komposition als Multiplikation einen Ring. Dieser ist kommutativ und isomorph zum Polynomring $ \mathbb{R}[T]$ . Die Variable $ T$ entspricht dem Shift-Operator $ (f_n)_n\mapsto (f_{n+1})_n$ .

Nach Theorem 5 ist $ \mathbb{R}[T]$ auch isomorph zum Ring der linearen Differentialoperatoren mit konstanten Koeffizienten. Daher sind auch die beiden Operatorenringe isomorph. Für jede analytische Funktionen $ f$ und jeden Differentialoperator $ F$ bildet der entsprechende Folgenoperator die Folge der Ableitungen von $ f$ bei 0 auf die Folge der Ableitungen von $ F(f)$ bei 0 ab.

Satz 8   Es sei $ F(y)=0$ eine lineare Rekursionsgleichung $ k$ -ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Es sei

$\displaystyle P(T) = (T-\lambda_1)^{e_1}\dots(T-\lambda_m)^{e_m} , e_1+\dots+e_m=n $

die Zerlegung vom charakteristischen Polynom in komplexe Linearfaktoren. Dann sind die Lösungen von $ F(y)=0$ genau die Linearkombinationen der Folgen

$\displaystyle ({\lambda_1}^n)_n ,\dots,({\lambda_1}^nn{e_1-1})_n,\dots,({\lambda_m})^n)_n,\dots,({\lambda_m}^nn^{e_m-1})_n . $

Die Parallele zu den linearen Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten läßt sich wie folgt erklären. Es sei $ {\cal A}$ die Menge der analytischen Funktionen $ \mathbb{R}\to\mathbb{R}$ , deren Taylorentwicklung bei 0 den Konvergenzradius unendlich hat. Es sei $ {\cal F}$ die Menge aller Folgen $ (a_n)_n$ , für die $ \lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{\frac{\vert a_n\vert}{n!}}=0$ ist. Dann ist durch $ \rho:{\cal A}\to{\cal F}$ und $ \sigma:{\cal F}\to{\cal A}$ ,

$\displaystyle \rho(f) := (f^{(n)}(0))_n , \hspace{2cm} \sigma((a_n)_n)= \left(x\mapsto \sum_{n=0}^\infty a_n\frac{x^n}{n!}\right) $

ein Isomorphismus gegeben, der den Lösungsraum der linearen Differentialgleichung in den Lösungsraum der Rekursion mit gleichem charakteristischem Polynom überführt.

Literatur:
[2, III.15.1]


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Josef Schicho 2016-01-17