next up previous
Nächste Seite: Bifurkationstheorie Aufwärts: Sätze und Definitionen Vorherige Seite: Zyklen von Diskreten Dynamischen

Zyklen von Kontinuierlichen Systemen

Es sei wieder $ U\subset\mathbb{R}^n$ offen, $ F:U\to\mathbb{R}^n,
(x_1,\dots,x_n)\mapsto (F_1(x_1,\dots,x_n),\dots,F_n(x_1,\dots,x_n))$ ein stetig differenzierbares Vektorfeld. Eine Lösungskurve $ z:\mathbb{R}\to U$ mit $ z(t+h)=z(t)$ für alle $ t$ heißt Zykel oder periodischer Orbit. Wenn für eine andere Lösungskurve $ x:\mathbb{R}_+\to U$ gilt, daß für alle $ t_0\in\mathbb{R}$ und $ \epsilon>0$ und $ N>0$ ein $ t_1>N$ existiert, sodaß $ \vert\vert x(t_1)-z(t_0)\vert\vert<\epsilon$ gilt, dann sagen wir daß die Kurve $ x$ sich asymptotisch an den Zykel $ z$ annähert.

Definition 16   Es sei $ U\subset\mathbb{R}^n$ offen, $ F:U\to\mathbb{R}^n$ ein stetig differenzierbares Vektorfeld. Es sei $ H$ eine Hyperebene die auf jedem ihrer Punkte transversal zu $ F$ ist. Die Poincaré-Abbildung $ \Phi:(H\cap U)\dashrightarrow (H\cap U)$ ist definiert als die partielle Funktion, die jedem Punkt $ p\in H\cap U$ den ersten Punkt zuordnet, bei dem der Orbit durch $ p$ die Menge $ H\cap U$ wieder schneidet:

$\displaystyle t_0:=\min\{ t>0 \mid \phi(t,p)\in H\cap U\}, \Phi(p) := \phi(t_0,p) . $

Falls so ein $ t_0$ nicht existiert, oder falls der Orbit in $ t_0$ tangential zu $ H$ ist, dann ist $ \Phi(p)$ nicht definiert.

Satz 21   Der Definitionsbereich der Poincaré-Abbildung ist offen. Die Poincaré-Abbildung ist in ihrem Definitionsbereich differenzierbar.

Beweis. Es sei $ x_0\in H\cap U$ ein Punkt, in dem $ \Phi$ definiert ist, also für den ein $ t_0$ existiert mit $ t_0>0$ und $ x_1:=\phi(t_0,x_0)\in H$ . Es sei $ \alpha:\mathbb{R}\times H\to U$ die Einschränkung des Flußes auf $ H$ . Das Bild der Ableitung von $ \alpha$ bei $ (0,x_0)$ enthält $ H$ (als Bild der Raumableitung) und die Gerade in Richtung das Richtungsfelds (als Bild der partiellen Ableitung nach $ t$ ). Nachdem $ F$ die Hyperebene $ H$ tranversal schneidet, ist die Ableitung von $ \alpha$ bei $ (0,x_0)$ invertierbar. Daher ist $ \alpha$ lokal bei $ (0,x_0)$ invertierbar mit differenzierbarer Umkehrabbildung. Analog dazu ist $ \alpha$ lokal bei $ (0,x_1)$ invertierbar mit differenzierbarer Umkehrabbildung.

Die Abbildung $ \gamma:U\to U:x\mapsto\phi(t_0,x)$ ist differenzierbar und lokal invertierbar (mit inverser Abbildung $ x\mapsto\phi(-t_0,x)$ ). Mit den beiden offensichtlich differenzierbaren Abbildungen $ i:U\to \mathbb{R}\times U, x\mapsto (0,x)$ und $ u:\mathbb{R}\times U, (t,x)\mapsto x$ gilt $ \Phi = u\circ \alpha^{-1}\circ\gamma \circ \alpha\circ i$ , daher ist $ \Phi$ in einer Umgebung von $ x_0$ differenzierbar. $ \qedsymbol$

Fixpunkte von $ \Phi$ entsprechen periodischen Orbits. Umgekehrt entsprechen periodische Orbits Fixpunkten von $ \Phi$ , wenn man eine transversale Hyperebene gewählt hat.

Definition 17   Ein periodischer Orbit heißt stabil, wenn die Poincaré-Abbildung an der entsprechenden Stelle einen stabilen Fixpunkt hat.

Ein periodischer Orbit heißt hyperbolisch, wenn die Jacobi-Matrix der Poincaré-Abbildung an der entsprechenden Stelle Eigenwerte von Betrag ungleich 1 hat.

A priori hängt Stabilität bzw. Hyperbolizität von der Wahl der transversalen Hyperebene ab; man kann jedoch zeigen, daß die Eigenschaft unabhängig ist von der Wahl der transversalen Hyperebene.

Für stabile Orbits gilt, daß jeder Orbit mit Startwert in einer geeigneten offenen Umgebung sich diesem Orbit annähert. Hyperbolische Zykel mit EIgenwerten der Jacobi-Matrix der Poincaré-Abbildung mit Betrag kleiner 1 sind immer stabil.

Satz 22 (Poincaré-Bendixsohn)   Es sei $ n=2$ . Es sei $ K\subset U$ eine kompakte Teilmenge von $ U$ , der keine Gleichgewichtspunkte enthält. Es sei $ x:\mathbb{R}_+\to K\subset U$ eine Lösungskurve, die $ K$ nicht verläßt. Dann existiert ein Zykel, an den sich $ x$ asymptotisch annähert.

Beweis. Man wähle für jeden Punkt aus $ K$ eine Gerade, die das Richtungsfeld transversal schneidet, und eine offene Umgebung sodaß jede darin enthaltene Lösungskurve die Gerade genau einmal schneidet. Wegen der Kompaktheit von $ K$ kann man diese Überdeckung durch offene Mengen durch eine endliche Teilüberdeckung ersetzen. Es muß nun zumindest eine dieser offenen Teilmengen (sagen wir $ V$ ) geben, die von $ x$ für beliebig große $ t$ immer wieder geschnitten wird. Das darin enthaltene Geradenstück $ L$ wird dann ebenfalls immer wieder von $ x$ geschnitten. Das bedeutet, daß die Poincaré-Abbildung für alle Schnittpunkte des Orbits mit $ L\cap V$ definiert ist.

Es sei $ x_0$ ein Schnittpunkt von $ x$ und $ L\cap V$ . Wir betrachten die Folge $ (x_i)_i$ definiert durch $ x_{i+1}=\Phi(x_i)$ . Wegen dem Jordan'schen Kurvensatz ist die Folge monoton steigend oder fallend. Da die Folge beschränkt ist, existiert der Grenzwert $ \bar{x}$ . Wegen der Stetigkeit des Flußes ist die Lösungskurve $ z$ mit Anfangspunkt $ \bar{x}$ periodisch, und $ x$ nähert sich asymptotisch an $ z$ an. $ \qedsymbol$

Falls endlich viele Gleichgewichtspunkte existieren, dann sind nur noch folgende weitere Fälle möglich:

Definition 18   Ein Orbit $ x$ heißt homoklin, wenn er auf ganz $ \mathbb{R}$ definiert ist, und wenn die Grenzwerte $ \lim{t\to -\infty}x(t)$ und $ \lim{t\to\infty}x(t)$ existieren und gleich sind. Ein Orbit $ x$ heißt heteroklin, wenn er auf ganz $ \mathbb{R}$ definiert ist, und wenn die Grenzwerte $ \lim{t\to -\infty}x(t)$ und $ \lim{t\to\infty}x(t)$ existieren und ungleich sind.

Die positiven und negativen Grenzwerte bei heteroklinen bzw. homoklinen Orbits sind natürlich Gleichgewichtspunkte (folgt aus der Stetigkeit des Vektorfelds).

Für Richtungsfelder im $ \mathbb{R}^3$ gibt es keinen Satz analog zu Poincaré-Bendixsohn. Es gibt Beispiele von Fraktalen mit der Eigenschaft, daß sich jede Lösungskurve an diese asymptotisch annähert (``seltsame Attraktoren'' wie etwa den Lorenz-Attraktor oder den Rössler-Attraktor). Das dynamische Verhalten auf diesen beiden Attraktoren ist ``chaotisch'', das heißt die periodischen Orbits liegen dicht im Attraktor, und für zwei offene Mengen $ U$ und $ V$ gibt es einen Orbit der beide schneidet (topologische Vermischung).

Literatur:
[2, III.9,III.11,III.12]


next up previous
Nächste Seite: Bifurkationstheorie Aufwärts: Sätze und Definitionen Vorherige Seite: Zyklen von Diskreten Dynamischen
Josef Schicho 2016-01-17